Neuseeland – Im Land der Großforellen

Stämmiger Körper, großes Maul und ein Buckel, die Brown Trouts strotzen nur vor Kraft.

Bekannt für grandiose Naturkulissen, ursprüngliche, kristallklare Gewässer – ein Paradies für Fliegenfischer aus aller Welt.
Neuseeland erlebt von Camillo Ledinsky

Bei solch prachtvoller Landschaft kann man beinahe aufs Fischen vergessen.

Bei solch prachtvoller Landschaft kann man beinahe aufs Fischen vergessen.

10. November 2015: Wir stehen am Twizel River, in Central South Island von Neuseeland. Hier ist Frühling. Die Angelsaison beginnt an vielen Gewässern mit dem 1. November. Die Natur ist erwacht, blühende Lupinenwälder entlang der Flüsse erfreuen das Auge, singende Vögel und 15 Stunden Tageslicht. Herz, was willst du mehr?

Anreise mit Hindernissen

Voller Erwartung pirsche ich flussabwärts, eine 6er Fliegenrute in der Hand und gespannt, was dieser Angelurlaub so bringen würde. Mein langjähriger Reise-Begleiter Seppi, der aufgrund seines runden Geburtstages diese Reise erst ins Rollen gebracht hatte, marschiert flussaufwärts. Vergessen waren die letzten stressigen Tage. Flugplanänderung, längere Anreise, eine zusätzliche Übernachtung in Christchurch und das um einen Tag verspätete Eintreffen meines Koffers mit der gesamten Angelausrüstung.

Twizel River

Es ist ein kleiner Fluss, derzeit etwa 3m³ pro Sekunde Wasserführung, glasklar und wie alle Flüsse hier, völlig unreguliert. Jedes Hochwasser ändert den Flussverlauf. Pools, die wir vor zwei Jahren gut befischt hatten, existieren nicht mehr. Dafür sind natürlich neue entstanden. In Neuseeland sind die Forellen wirklich groß, jedoch nicht sehr zahlreich. Man sucht im Fluss die großen Schatten und diese werden dann gezielt befischt. In den kleinen Flüssen ist das die Methode der Wahl. Auch hier am Twizel. Bereits einige hundert Meter unterhalb meiner Einstiegstelle sehe ich vom Steilufer aus eine ansehnliche Brown Trout (Anm.: Bachforelle, engl.), die sehr aktiv unterhalb eines Strauches Nahrung von der Oberfläche nimmt. Von hinten angeschlichen, mit einer 16er Trockenfliege, die ich zittrig vor Aufregung an das 18er Vorfach binde, und die ersten Würfe erfolgen. Währenddessen steigt der Fisch ununterbrochen nach Nahrung. Jedes Mal durchbricht sein halber Kopf die Oberfläche um ein Insekt mit weit geöffnetem Maul aufzunehmen. Nach einigen Würfen stimmt schließlich die Distanz.

Der Waitaki, ein mit etwa 300m³ pro Sekunde Wasserführung schon großer Strom.

Der Waitaki, ein mit etwa 300m³ pro Sekunde Wasserführung schon großer Strom.

Der Palmer landet knapp vor dem Fisch, sofort erscheint wieder das geöffnete Maul über der Wasseroberfläche und meine Fliege verschwindet mit dem Fisch. Anhieb! Der Haken sitzt. Nach dem für die Größe des Fisches eher kurzen Drill, habe ich meine erste schöne Braune im Kescher. Sechzig Zentimeter lang, ein Milchner mit riesigem Maul. Mein Herz schlägt aufgeregt. An diesem Tag kann ich noch eine 50 Zentimeter lange Regenbogenforelle fangen, sowie eine knapp darunter. Ein gelungener Auftakt. Auch Seppi ist mit einer Halbmetrigen an diesem Tag dabei.

In den vergangenen Wochen gab es hier kaum Regen, die Flüsse sind nieder und perfekt zu befischen. Forellenbrut ist in Mengen zu sehen, denn es gab eine ungestörte Laichzeit. Wenn diese Fische in drei bis vier Jahren alle zurückkommen, um abzulaichen…
Durch den niedrigen Wasserstand gibt es leider auch viele Algen. „Didymo“, eine eingeschleppte braune Alge, die den Flussgrund vieler Gewässerabschnitte flächendeckend überzieht, sowie Grünalgen in beachtlicher Menge. In den folgenden Tagen fischen wir unter anderem im Lake Ohau, landschaftlich ein absoluter Höhepunkt. Wir bleiben aber nur kurz.

Nervige Mücken

Ununterbrochen Sandfliegen, diese kleinen Blut saugenden Mücken vertreiben zu müssen, verleidet einem das Fischen. Weiter geht es zum Ahuriri. Ein etwas größerer Fluss, mit etwa 15 bis 18m³ pro Sekunde Wasserführung. Hier kommt Seppi voll auf seine Kosten. Bei leicht getrübtem Wasser schwerere Nymphen in den Pool hineintreiben zu lassen oder die Rieselstrecke abzusuchen bringt Regenbogenforellen, die meisten über einen halben Meter groß. Er ist begeistert. Ich versuche steigende Fische zu finden. Erneut sehe ich einen großen Schatten flussaufwärts von meiner Position fast regungslos im seichten Uferbereich. Auch hier wieder die 16er Trockenfliege platziert, diesmal sofort in der richtigen Distanz. Der Fisch bewegt sich in Zeitlupe an die Oberfläche, schwimmt meiner Fliege flussabwärts nach, öffnet sein Maul und saugt sie ein. Der Anschlag sitzt optimal. Darauf folgt eine wilde Flucht in die Strömung. Einige Fluchten später liegt auch dieser Fisch im Kescher – wieder eine 60er Bachforelle. An diesem Tag kann ich drei Braune fangen, alle mit Trockenfliege. Seppi kann im selben Fluss-Abschnitt fünf Regenbogenforellen mit der Nymphe überlisten.

Riesenforellen und Lachse

Triebwasserkanäle, die Seeabflüsse zur Stromgewinnung umleiten, sind hier bekannt für Megaforellen. Bis zu 20 Kilogramm schwere Brocken werden gefangen. Durch Lachsfarmen in den Kanälen gibt es viel Futter, so wachsen sie zu wahren Monsterfischen heran. Besuche hier bringen auch uns schöne Fische. Lachse bis etwa 50 Zentimeter sowie eine 75 Zentimeter lange und fünf Kilogramm schwere Braune, die Seppis „Lebensforelle“ ist. Wir suchen auch den Waitaki auf, ein mit etwa 300m³ pro Sekunde schon großer Strom. Während Seppi gleich mit schweren Nymphen kugelrunde und Kraft strotzende Regenbogenforellen fängt, habe ich Abstimmungsprobleme. Erst der Mageninhalt der ersten hier gefangenen Regenbogenforelle (ca. 3 Zentimeter lange Dobsonfly-Larven) bringt den Umschwung. Nun fische auch ich große schwere Nymphen, diese sehr tief. Und ab geht die Post! Große Regenbogen- und Bachforellen suchen in der Tiefe Nahrung und nehmen meine Nymphen. Unglaubliche Drills, wenn diese Torpedos in die Strömung gehen. Hier ist Gefühl notwendig um sie überhaupt landen zu können.

Stämmiger Körper, großes Maul und ein Buckel, die Brown Trouts strotzen nur vor Kraft.

Stämmiger Körper, großes Maul und ein Buckel, die Brown Trouts strotzen nur vor Kraft.

Ein stärkerer Regen mit Hochwasser in den Flüssen zwingt uns zum Stillwasserfischen. Ein kleiner See nahe Twizel ist das Ziel. In Ufernähe suchen 50er Bachforellen Nahrung. Auch 70 Zentimeter große können wir beobachten. Der Schlüssel zum Erfolg sind knapp über dem Kraut in Zeitlupe gezogene Nymphen mit Schwimmhilfe, große Trockenfliegen und Indicator-Flies. Auch hier fangen wir Forellen jenseits der 50 Zentimeter-Marke, haben jedoch viele Schnurbrüche – die Braunen sind einfach zu stark.

Nach drei Wochen bester Fischerei ist unsere Bilanz äußerst zufriedenstellend. Sechzehn Bachforellen mit 50 Zentimetern oder mehr, sowie zwölf Regenbogen mit ebenfalls 50 Zentimetern hätte ich nicht erwartet. Natürlich haben wir auch kleinere Fische gefangen, unter 40 Zentimeter jedoch nur ganz wenige.

Gut zu wissen

In Neuseeland kostet eine Jahreskarte, mit der man fast alle Gewässer befischen darf, für Einheimische weniger als 100 Euro. Ausländer zahlen etwas mehr. Entsprechend viele Fischer gibt es. Man darf nicht erwarten, allein am Wasser zu sein. Vor allem mit dem Wohnmobil sind kleine holprige Seitenstraßen nicht befahrbar, ein Fischen ist daher nur nahe größerer Straßen möglich.

Wetter

Auch das Wetter in Neuseeland kann über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Wind ist hier an der Tagesordnung. Dieser kann binnen weniger Minuten aufkommen und ein Fliegenfischen unmöglich machen. Es kam vor, dass plötzlich kein Fisch unsere Fliegen nahm, wo tags zuvor das Fischen ein Gedicht war. Das Wetter hatte umgeschlagen, die Beißlaune war weg. Trotzdem, die Anzahl an großen Forellen ist schier unglaublich. Und das alles, weil Bach- und Regenbogenforellen von den Engländern vor mehr als 100 Jahren besetzt wurden, sonst gäbe es sie in Neuseeland nämlich nicht. Keine Rede davon, dass sie hier nicht heimisch sind. Auch, dass Regenbogenforellen Bachforellen verdrängen, würde hier nur ungläubiges Kopfschütteln auslösen. Die Neuseeländer sind froh, beide als Erbe der Angelsachsen in den Gewässern zu haben und möchten sie nicht mehr missen. Wir auch nicht, vielleicht kommen wir ja wieder.

Mit rund 75 Zentimeter Länge ist diese Braune Seppis „Lebensfisch“.

Mit rund 75 Zentimeter Länge ist diese Braune Seppis „Lebensfisch“.


Fotos: Camillo Ledinsky