Fischgang ohne Angelrute
Die frostigen Monate sind endlich vorbei. Nach dem ohnehin nicht allzu strengen Winter lassen erste wohltuend milde Tage darauf hoffen, was nun kommen mag. Von Gert Richter richter@angebissen.at
Bei einem ersten Begehen des Flusses kann man das Erwachen der Lebensräume am und im Wasser erleben und einschätzen wie unsere Fische die kalten Monate überstanden haben. So früh im Jahr sind eher Kamera und Fernglas die geeigneten Begleiter am Wasser. Es gibt viel zu beobachten. Die Zeit der Angelrute kommt dann etwas später. Erstes zartes Grün brachte wieder Farbe in die kahle Landschaft. Mit den wärmenden Sonnenstrahlen kehrte das Leben in den Fluss zurück. Unspektakulär und ohne große Mengen an Schmelzwasser war bis auf wenige Reste auch in den Höhenlagen der Mittelgebirge der Schnee verschwunden. Untrügliche Frühjahrsboten sind dann immer die Kibitze, die in den ufernahen Ackerfluren ihre unübersehbaren Balzflüge vollführen und ihre Gelege vorbereiten. Sonnenstrahlen durchfluteten die seichteren zügig fließenden Passagen. Langsam kam wieder Aktivität in die Cyprinidenschwärme und die großen „Winterlager“, wo sie bei reduziertem Stoffwechsel in tiefen, strömungsberuhigten Zügen die kalte nahezu nahrungslose Zeit überdauert hatten.
Die Winterlager lösen sich auf
Die Geselligkeit der gemeinsamen Schwärme geht dem Ende zu und die Vielzahl der Fische trennt sich nach Arten und Altersklassen. In beeindruckend guter Kondition zeigten sich die Nasen, die in kleinen Schulen begannen durch die sonnigen Flussabschnitte zu ziehen. Dabei konnte man immer wieder das Aufblitzen ihrer Flanken sehen, wenn sie mit ihren hornigen Lippen den Aufwuchs aus Algen, Schnecken und Wasserinsekten von Steinen und dem grobkiesigen Flussgrund schabten. Sehr wahrscheinlich waren sie bereits im Begriff sich auf die bevorstehende Laichzeit vorzubereiten. Die Wanderung in ihre Laichgebiete stand bevor. Oft schon gegen Ende März eröffnet die Nase als erste Art der großen Familie der Karpfenartigen (Cypriniden) den Reigen der Fortpflanzung. Ihre Zahl aber ist klein geworden in den letzten Jahren. Die viel zu zahlreichen Prädatoren fordern sichtbaren Tribut. Zwischen die großen, korpulenten Nasen mischten sich zeitweise einige wenige große Aitel.
Nasen, Aitel, Äschen…
Die Ränder der Gruppen wurden flankiert von einzelnen Äschen verschiedener Altersklassen. Einige kleine Insekten, zarte schlanke Steinfliegen – Needleflies genannt – schwirrten über der Wasseroberfläche und plötzlich begann ein heftiges Steigen der Äschen nach den Insekten. Ring auf Ring zerfloss im Spiegel der sanften Strömung bis weit in den Auslauf des Zuges. Erleichternde Gewissheit, dass doch einige der Jungäschen des vergangenen Jahres sich vor den penetranten Raubzügen der Kormorane in Sicherheit hatten bringen können. Beeindruckend große Barben standen noch dicht gedrängt im tiefen zentralen Bereich des Kolkes. Auch sie haben es zunehmend schwer und die Bestände hatten ebenfalls einen gewaltigen Aderlass in den vergangenen Jahren zu verkraften. Doch wo waren die Bachforellen? Nirgendwo eine Spur von ihnen. Waren sie hier etwa ausnahmslos Opfer des Fischotters geworden, auf dessen Hinterlassenschaften man beinahe auf Schritt und Tritt stößt?
Der Fischotter lebt verschwenderisch
Leider zeigt dieser sich äußerst verschwenderisch im Umgang mit den zunehmend raren Fischbeständen. Viele, oft nur teilweise gefressene Fische kann man finden und vor allem seine Exkremente, Losung genannt, die er bevorzugt auf erhöhten Standorten wie Steinen, Sandbänken oder Totholzansammlungen als stark duftende Reviermarkierung absetzt. Untersucht man diese genau auf ihren Inhalt wird man alle harten Bestandteile von Fischen wie Knorpel, Gräten, Schuppen, Kiemendeckel sowie zerbissene Krebspanzer entdecken. Auch kleinere Säugetiere und Küken aller möglichen Vogelarten und Hausgeflügel gehören zu seinem Nahrungsspektrum. Etwas flussab, wo sich der Fluss in zwei Arme teilt, gibt es einen guten Standplatz für Bachforellen. Das Kehrwasser am rechten Flussufer zwischen dem Wurzelkörper der gefallenen Silberweide und einem tiefgründig umspülten Felsblock war immer gut für eine schöne „Rotgetupfte“. Dort könnte sich vielleicht eine Forelle eingestellt haben. Gleißende Sonnenstrahlen durchleuchteten die Rückströmung. Durch das Fernglas blickend, den schimmernden Strahlen in die Tiefe folgend, zeigte sich die Silhouette eines Fisches im Strömungsschatten des Felsens. Das rötliche Aufleuchten seiner Flanken brachte bald Gewissheit.
Endlich, eine Bachforelle
Es war eine prächtige Bachforelle und eine „Gute“ noch dazu, – bestimmt über vierzig Zentimeter lang. Wenn sich für einen Moment die Wasseroberfläche glättete war das Farbenspiel des Schuppenkleides deutlich auszumachen. Der schöne Fisch stand an der Strömungskante auf der Lauer und wartete darauf, was der Fluss in seine Reichweite spülen würde. Diese Forelle musste im Gedächtnis gespeichert werden für spätere Momente der Saison.
Alljährliches Ritual
Eine relative Zufriedenheit hatte sich eingestellt, es gab etliche schöne Fische zu sehen in der beeindruckenden Naturkulisse der jungen Saison in den frisch ergrünten Flusslandschaften. Der warme Sonnenschein tat ein Übriges. Diese ersten Beobachtungen der Fische am Fluss sind ein alljährliches Ritual, das Lust darauf macht, mit der Angelrute näheren Kontakt zu ihnen zu suchen. Obwohl, so früh im Jahr drängt die Zeit noch nicht wirklich, sind doch die Fische noch nicht in allerbester Kondition. Die schönste Zeit zum Fischen kommt dann, wenn die Fische sich von dem langen Winter erholt haben und angenehme Temperaturen die ersten Würfe zum Genuss machen, wenn das Leben wieder so richtig in Gang gekommen ist und Insekten in Wolken über´s Wasser schwirren. Diese Zeit ist nah und die Gewissheit, dass Fische etlicher Arten da sind und genau darauf warten, ist verlockend. Etwas jedoch ist nicht zu übersehen: So viele Fische wie in vergangenen Jahren sind es beileibe nicht mehr. Die Hoffnung auf eine gute Saison und bessere Tage aber lebt.