Böhmische Rhapsodie

Moldau_Hans

Einer mystischen Rhapsodie gleich, der Abfolge epischer Melodien einer Landschaft, die Wildnis und raue Natur widerspiegelt, dennoch gleichzeitig von unwiderstehlich lieblichem Charakter geprägt, zieht die obere Moldau ihre ruhigen Mäander durch moorige Wiesen, Sümpfe und ursprüngliche Wälder. Von Gert Richter

Wie eine wohlgereimte Ballade fügen sich ihre dunklen Wasser in einer eigenwilligen Form in breiten brillanten Passagen einer gelungenen Komposition aus Schönheit und Wildnis in die menschenleere Naturlandschaft.

Am Oberlauf der Vltava

Tiefe unergründliche Züge wechseln mit Rieselstrecken, welche von in verschiedensten Grüntonen schimmernden Krautfahnen aus flutendem Hahnenfuß, Tausendblatt und
Laichkräutern besiedelt sind. Ab und an durchbrach ein Sonnenstrahl die lockeren Stratuswolken, die wabernd an den Horizont reichten. Plötzlich flammte dann die gesamte Landschaft in den herrlich intensiv leuchtenden Farben des Herbstes auf, deren Erscheinung sich auf wunderbare Weise durch die Spiegelung in den teefarbenen Wassern der Moldau verdoppelte. Frühmorgens noch hatte sich die gesamte Kulisse von klammem weißem Raureif überzogen präsentiert. Hans, der mich durch diese ursprüngliche Landschaft führte, und ich wurden Eins mit dem Fluss, den wir watend und fischend auf seinem Lauf durch ausgedehnte Moorgebiete begleiteten. Nach angestrengter Beobachtung zeigten sich hin und wieder einige zaghafte Ringe, die leise an der spiegelnden Oberfläche des Zuges in der Strömung zerflossen. Die mussten von den sagenhaft schönen Äschen der Vltava stammen. Hans bedeutete mir mein kleines Eintagsfliegenmuster zu präsentieren. Verstohlen
unter das bunte treibende Herbstlaub gemischt segelte das Muster mit aufrechten Schwingen exakt in der Drift auf den ausgemachten Standplatz einer Äsche von passabler Größe zu. Doch die Fische waren äußerst vorsichtig. Erst nach etlichen Fehlbissen konnte ich in der Folge einige wundervolle Äschen überlisten.

Moldau_PanoFantastische Fischerei in traumhaft wilder Herbstlandschaft

Geheimnisvolle dunkle Äschen

In ihrer satten Dunkelfärbung und markant rotflossig zählen sie in ihrem Habitus bestimmt mit zu den schönsten Äschen, die ich je gesehen habe. Erstaunlich bereitwillig präsentierten die gefangenen Fische ihre prächtigen, beeindruckend großen, beinahe an arktische Äschen erinnernden Fahnen für ein Foto. Auffällig, dass auch relativ kleine Fische bereits eine typische, ausgeprägt satte Färbung aufwiesen, wie es sonst nur ältere Exemplare an sich haben. Ein Mäander reihte sich an den anderen. Spuren und Trittsiegel von Biber und Fischotter waren allgegenwärtig. Wieder einmal leuchteten die weitläufigen Wiesen aus Sumpfschneidegras und Kalmus in der ausgedehnten Moorlandschaft tief rotbraun in dem die Wolken durchbrechenden, gleißenden Sonnenlicht auf. Entfernt flammte in grellem Gelb eine intensiv gefärbte Galerie von Espen vor dem dunklen Hintergrund mächtiger Fichtenbestände. Ein geheimnisvoll anmutendes Kehrwasser erregte nun meine Aufmerksamkeit. Sanft schwebte meine Imitation einer kleinen grauen Eintagsfliege grazil an die Strömungskante einer Bucht zwischen einer Totholzansammlung und dunklem Granitgestein. Blitzartig erschien ein kleiner Ring an der Oberfläche und ein sanftes „Plopp“ war zu vernehmen. Zügig hob ich die Rutenspitze an.
Sofort war klar, das konnte keine Äsche sein. Ein wahres Goldstück von einer Bachforelle hatte das Angebot genommen und lieferte nun einen respektablen Kampf. Nicht wirklich groß, aber von einer seltenen Schönheit sind die Bachforellen der Moldau. Hier am Oberlauf beinahe noch von intensiverer Farbenpracht als weiter flussabwärts. Bald verlor ich mich wieder in den fantastischen Spiegelbildern der Landschaft in den dunklen Wassern der Vltava. Viele Kurven und etliche traumhaft schöne Äschen und Forellen später weitete sich der Fluss nach einigen Kilometern merklich. Die Züge wurden großräumiger und länger, die Mäander ausladender und weiter. Mächtige Bäume säumten hier die Ufer und Altarme.

Große Hasel und kleine Fliege

In den Kehrwassern unter überhängendem Astwerk konnten Hans und ich einige schöne große Hasel fangen. Tolle Fische, aber nicht ganz einfach mit der kleinen Trockenfliege zu überlisten. Wie im Flug war der Tag vergangen. Finster hingen nun dicke Wolken am Himmel und erste Regentropfen zeichneten ihre Ringe in die sanfte Strömung des Flusses. Nun war Eile geboten – auch die Dämmerung des bereits kurzen Oktobertages war nicht mehr fern. Glücklich erreichten wir schließlich Auto und Gasthaus gerade noch rechtzeitig kurz vor einem heftigen Regenguss, der uns rasch bis auf die Haut durchnässt hätte. Hans bestätigte meinen Eindruck. Trotz allem hatten wir gute Tage erwischt. Nach den zwei wundervollen Tagen an der oberen Moldau machten wir uns auf den Weg Richtung Rozmberk, wo wir in
der kleinen Pension von FrantiŠek Kurka – Urgestein lokaler Fliegenfischerei und begnadeter Fliegenbinder – übernachteten, und noch einen Tag an dem ebenfalls wunderschönen Mittellauf der Moldau fischen wollten.

Moldau_BachforelleGoldstücke von Bachforellen bewohnen die Moldau

Am Mittellauf der Moldau

Bei gewohnt ausgezeichneter Kulinarik, sowie beim Genuss einiger Gläser des hervorragenden tschechischen Bieres aus einer lokalen Brauerei ließen wir bei angeregten Gesprächen den Tag entspannt ausklingen. Tags darauf begleitete uns FrantiŠek zum Fischen und wir fingen ausgezeichnet. Viele Äschen – hier eher
kleinere und mittelgroße Exemplare – als Beifang etliche dicke goldige Bachforellen sowie Aitel und Hasel waren unsere Beute. Weder Frantisek noch ich konnten die beiden, jeweils bereits im Drill befindlichen größeren Regenbogenforellen landen. Die Fische hatten ihre Chance ergriffen und waren entkommen. Schließlich gegen Abend verebbte die Aktivität der Fische und so gingen wundervolle Tage ihrem Ende zu. Die Melodie der mystischen Landschaft Südböhmens hält mich irgendwie
gefangen. Der hier bereits mächtige Fluss zieht seine weiten Mäander um Granitfelsen und mittelalterliche Burgen und Städtchen. Der Lockruf der phantastisch schönen Äschen, der goldigen Bachforellen bleibt lebhaft in Erinnerung. An den leuchtenden Farben dieser einzigartigen Flusslandschaft kann man sich nicht
sattsehen. Die Antwort auf die Frage, die sich insgeheim stellt: „Werde ich wiederkommen in dieses Naturjuwel?“ kann nur lauten: „Ja, immer wieder!“ Aber, wer nichts als viele Fische fangen will, muss nicht hierher kommen. Doch wer auch die Schönheit sucht, wird vielleicht sein persönliches kleines Paradies finden
in den mystischen Traumlandschaften der Flüsse Südböhmens. Mein Dank gilt Hans, der mich mit Rat und Tat an diesem wunderbaren Fluss geführt hat.

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