Fischotter versus Huchen – Spieltrieb statt Nahrungsaufnahme?
Fischotter machen selbst vor kapitalen Huchen nicht Halt! 47% aller untersuchten Huchen wurden von Fischottern verletzt. Selbst Fische mit 135cm Länge fallen zum Opfer.
Die aktuelle Situation um das Thema Fischotter im Alpenraum (hier vor allem in Österreich) spitzt sich mehr und mehr zu. Teichwirte und Fischzüchter berichten seit Jahren und vermehrt von katastrophalen Schäden durch den in Österreich flächendeckend verbreiteten Fischotter. Fischereivereine, die Fließgewässer bewirtschaften und betreuen, fühlen sich im Stich gelassen. Naturschutzverbände setzen sich medienwirksam vor allem für den Schutz von Prädatoren über Wasser ein. Die Politik wirft trotz stichhaltiger und mit wissenschaftlich erhobenem Zahlenmaterial unterfütterten Fakten, maximal Blendgranaten (Fördermöglichkeiten für Fischotter-Zäune, die für Fließgewässer unmöglich umzusetzen sind) um sich. Und – soviel Fairness sei gestattet – kursieren allerlei Gerüchte, wie zB. jenes von Zuchtanstalten und aus dem Ausland importierten Fischottern (partiell sogar eingestanden!) in Fischereikreisen. Diskussionen werden mittlerweile selten rational geführt.
Dass es aber auch anders geht, zeigt der Fischökologe Clemens Ratschan, der mit seiner aktuellen Arbeit die Beziehung Fischotter versus Huchen wissenschaftlich untersuchte und in einen wichtigen und höchst ernstzunehmenden Artikel goss. Nachfolgend wollen wir einige der Kernaussagen zusammenfassen, jedoch sei jedem Leser DRINGEND angeraten, das gesamte Werk (PDF-Download oder online auf Research Gate) zu studieren!
Eine Erkenntnis von Ratschans Arbeit ist, dass 47 Prozent der untersuchten Huchen durch Fischotter verursachte Verletzungen aufwiesen! Die Länge der verletzten Fische betrug im Mittel 102 cm, wobei der größte verletzte Huchen eine Länge von 135cm maß. Durch Otter verletzte Fische wurden vor allem an der Mur, der Ilz mit ihren Oberläufen, der obersteirischen Enns, dem Schwarzen Regen, der Gail, der Großache, der Pielach, Melk und Mank vorgefunden.
Die größeren Datensätze standen Ratschan aus der Mur zur Verfügung. Aus diesen ging hervor, dass jeder zweite Huchen verletzt war! Auch aus dem Ilz-System im bayerischen Wald lagen größere Datenmengen vor, wo bei 33 Prozent der Fische Verletzungen verzeichnet waren.
Nun kann man laut Ratschan über die Motivation der Otter diskutieren, warum sie auch so großen Fischen Bisswunden zufügen. „Überraschend ist, dass auch Huchen betroffen sind, bei denen aufgrund ihrer Größe (z. B. im Fall des hoch kapitalen Tiers mit 135 cm Länge) nicht anzunehmen ist, dass sie potentiell überwältigt bzw. getötet werden können und somit einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung liefern.“
Fischotter versus Huchen – Bloß Spieltrieb?
Daraus ergibt sich die Hypothese, dass Fischotter eines großen Fisches habhaft werdend und ihrem Spieltrieb bzw. Tötungsinstinkt folgend, nicht von der – eigentlich unpassenden – Beute ablassen. Dieses nicht der Ernährung dienende Verhalten verursache daraufhin die beobachteten Verletzungen. Jedoch hält Ratschan fest: „Auf Basis von Analogieschlüssen ist keinesfalls auszuschließen, dass auch große, gesunde Exemplare um/über einen Meter Länge erfolgreich erbeutet und getötet werden. Beispiele aus der Karpfenteichwirtschaft belegen, dass Otter in der Lage sind, zumindest unter den dort vorherrschenden Rahmenbedingungen auch Fische bis über 10 kg Gewicht zu töten und an Land zu ziehen. Huchen erreichen dieses Gewicht bei einer Länge von etwa 1 Meter.“
In seinem Fazit stellt der Autor einen Zielkonflikt zwischen Huchen und Fischotter zur Diskussion. Also „einer stark bedrohten, abnehmenden, im Donaugebiet endemischen Art (Huchen), und einer zunehmenden, wieder weit verbreiteten Art (Otter), die in Österreich einen günstigen Erhaltungszustand erreicht hat (kontinentale Bioregion) oder in naher Zukunft voraussichtlich erreichen wird (alpine Bioregion).
Brisant vor allem vor dem Hintergrund, dass der Huchen gemäß der Weltnaturschutzunion IUCN in der hohen Gefährdungskategorie »endangered« (stark gefährdet), der Fischotter hingegen als »near threatened« eingestuft wird, also einer niedrigen Gefährdungskategorie. Würden Politik und Naturschutz also also nach der tatsächlichen Gefährdungseinstufung und gegenwärtigen Bestandsentwicklung der beiden FFH-Arten priorisieren, müsste der Huchen dem Fischotter in allen Fragen und Entscheidungen um den Schutzstatus vorgezogen werden!