Flusspark Graz: Jahrhundertchance für Mensch und Tier
Mit dem Projekt „Mur findet Stadt“ wurde kürzlich ein Konzept für die Mur in Graz präsentiert, das Freizeit- und Naturraum vereint und dem Fluss mehr Raum geben soll. Nicht nur Erholungssuchende und Sportler würden von einer Umsetzung profitieren, sondern die gesamte Ökologie und damit die Artenvielfalt an der Mur – gerade für die Fische eine große Chance. von Andrea Feierl
Es ist ein Vorzeigeprojekt und eine Jahrhundertchance für Graz, das der Verein „Mur findet Stadt“ präsentiert. Gemeinsam mit Experten aus verschiedenen Fachrichtungen wurde ein Konzept für die Mur im Grazer Stadtgebiet entwickelt. An mehreren Standorten sollen hier Maßnahmen gesetzt werden und dem Fluss, sowie den darin lebenden Arten etwas Lebensraum zurückgegeben werden.
Seit Jahrhunderten wird die Mur von den Menschen genutzt. Sie diente als Transportweg, wurde begradigt und eingetieft. In den 1980ern war die Wasserqualität durch die Einleitungen der Industriebetriebe im Norden so schlecht, dass Leben in dem Fluss beinahe unmöglich schien. Durch den Einsatz der Grazer zur Rettung ihres Flusses hat sich das jedoch geändert. Inzwischen erholt hat die Mur aktuell die Güteklasse 2 = „gute Wasserqualität“. Über 30 verschiedene Fischarten – darunter der Huchen, der König der Mur – tummeln sich im Fluss und finden inzwischen auch wieder Laichhabitate und heterogene morphologische Strukturen vor, die sich der Fluss über die Jahre zurückgeholt und entwickelt hat.
Flusspark als neuer Lebensraum
Herzstück des Projektes ist der Flusspark im Süden von Graz. Weniger als drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt – auf der Olympiawiese – befindet sich eine der größten Freiflächen der Stadt. Hier kann nach Plänen von „Mur findet Stadt“ ein Park entstehen, der Freizeitoase, Naturraum und Hochwasserschutz zu einem einzigartigen Konzept verbindet.
Dort soll die Mur über einen Seitenarm in den Park integriert werden und bekommt damit mehr Raum. Es entstehen neue Strukturen am und im Wasser, die einen erweiterten Lebensraum bieten. Statt zwei Ufern gibt es nun vier, an denen Fische, Insekten und Amphibien sich ansiedeln können. Zusätzlich entsteht mit einer neuen Insel ein vielfältiger Lebensraum. Sie könnte als reine Natur-Insel ausgeführt werden, die Rückzugsräume und Versteckplätze bildet. Die seichten geschotterten Zugänge, werden je nach Wasserstand unterschiedlich hoch überschwemmt. Das sauerstoffreiche Wasser in Kombination mit den Schotterbänken bietet perfekte Laichgründe für bedrohte Arten wie Huchen, Äsche und Strömer.
Ein Teich im Zentrum des Flussparks ist mit der Mur verbunden und trägt so bei, den Hochwasserschutz zu verbessern. Er wird durch ein Schotterbett direkt aus der Mur gespeist und bildet als ruhendes Gewässer einen Kontrast zum rauschenden Fluss. Führt die Mur Hochwasser, dient der Teich als voll funktionales Retentionsbecken.
Vision und Wirklichkeit
Der Flusspark ist nur eines der Projekte von „Mur findet Stadt“. Weitere Ideen existieren z.B. für den Augarten, den Andreas Hofer Platz mit der Tegethoffbrücke und zusätzliche Hot-Spots an der Mur. Obmann Clemens Könczöl fasst zusammen: „Hier bietet sich für uns alle eine Jahrhundertchance etwas Großartiges zu schaffen, so wie es Generationen vor uns mit dem Stadtpark gelungen ist. Ein Freizeitkonzept wird hier mit natürlicher Gestaltung und Artenschutz kombiniert, sodass der Fluss auch für kommende Generationen lebendig und erlebbar bleibt.“
Dass die Vision Wirklichkeit werden kann, zeigen ähnliche Projekte auf der ganzen Welt. So wurde die Seine in Paris von einem Kanal zu einem Freizeitparadies mit einem Erholungsstrand für die Bevölkerung. In Seoul wurde sogar eine dreispurige Autobahn entfernt, um den Fluss zu revitalisieren und damit neuen Grünraum zu schaffen. Die Isar in München ist zum Ausflugsziel geworden, weil sie aufgeweitet wurde. Eine neue Insel und offene Uferbereiche schaffen hier neue Lebensräume die sowohl von Menschen als auch von seltenen Tierarten genutzt werden.
Auch an der Mur gibt es mit einem LIFE+ Projekt bereits heimische Vorzeigebeispiele. In der Obersteiermark zwischen Murau und Knittelfeld konnte dem Fluss an sieben Standorten wieder eine natürliche Struktur gegeben werden. Nebenarme, Schotterbänke, Flachufer, Auwälder und Autümpel bilden hier beispielsweise erweiterte Lebensräume für Huchen und Koppe. Durch zahlreiche Schulprojekte wurde der Artenschutz zusätzlich gefördert und die Beziehung zum Fluss schon im Kindesalter zum Thema gemacht.
Flussrenaturierungen und -revitalisierungen liegen damit im Trend. Viele große Städte haben bereits erkannt, wie wichtig der Schutz der Fließgewässer für die Zukunft ist. Auch für die Mur in Graz ist dies der beste Weg um die Lebensräume am und im Fluss dauerhaft zu sichern.
Weitere Entwicklung
Im nächsten Schritt will der Verein „Mur findet Stadt“ nun das Konzept an die breite Öffentlichkeit tragen und Politik, Vereine, Initiativen, NGOs aber vor allem die Grazer Bevölkerung in die Projektentwicklung einbinden. Eine interaktive Website, Infoveranstaltungen, eine Projektwerkstatt und Ideenwettbewerbe bilden nur den Anfang.
Auch mit Fischereivereinen gibt es bereits eine Kooperation. So haben sich der Landesfischereiverband Steiermark, das ÖKF und der Arbeiterfischereiverein Graz für den Flusspark ausgesprochen und wollen die Entwicklung unterstützen.